Es weihnachten nicht besonders

Es weihnachtet nicht besonders

Geplagt von einem Anflug schlechten Gewissens, muss ich gestehen: alljährlich im Dezember habe ich mich von Glühwein, Christkindli-Märkten, Adventsbeizli und all den Begleiterscheinungen der vorweihnachtlichen Zeit gerne distanziert und sie als Kommerzialisierung des Weihnachtsereignisses abgetan. Eigentlich müsste ich über die emotionale Leere der diesjährigen Advents- und Weihnachtszeit ganz unglücklich sein– bedingt durch den Covid-Chäfer, der unserer Welt fast den Verstand und zumindest die soziale Nähe in unseren generationenübergreifenden Familien und Freundeskreisen raubt. Aber ehrlich gesagt: Ich vermisse all den Zauber von vorweihnachtlichen Stimmungen und Events. Mir wird bewusst, wie sehr die Äusserlichkeiten halt doch zum Weihnachtsfeeling dazugehören.

Auch wir im Seelsorgeteam ziehen lange Gesichter, wenn die Roratezmorge auf bundesrätliche Anordnung gestrichen und die stimmungsvollen kirchlichen Feiern auf 50 Personen beschränkt werden. Dass wir mit einem Livestream in den Saal die Zahl der Mitfeiernden auf 100 vergrössern dürfen, ist ja gut, aber trotzdem: Es fehlt uns allen etwas. Wir werdens überleben. Ganz bestimmt – und dereinst darüber Texte und Gedichte verfassen, wie uns ein Virus Weihnachten «gestohlen» hat. Na ja: Gestohlen ist vielleicht etwas übertrieben. Denn das Ganze hat etwas Gutes: Es lässt uns sehnen nach dem, was immer da war und was wir kaum mehr geschätzt haben. Das weihnachtliche «Festen» verbindet uns mit all jenen Menschen, die permanent auf das verzichten müssen, was uns selbstverständlich geschenkt ist. Auch wenns nicht besonders weihnachtet, seien wir dankbar für die Tatsache, dass wir auf bessere Zeiten hoffen können. In Verbundenheit und mit lichtvollen Wünschen für Sie alle,

Stefan Staub, Pfarreileiter