Lieber den Spatz auf der Hand...

«Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach»

Liebe Leserin, lieber Leser
Sie geben mir sicher recht: Wer in unseren Breitengraden leben darf, ist privilegiert. Trotz Krisen, die unsere Welt bewältigen muss, den Gebrechen des Alters, den Enttäuschungen, die dann und wann unsere Lebens­bahnen kreuzen, stehen wir tendenziell auf der Sonnenseite des Lebens. In der täglichen Arbeit darf ich vielen Menschen begegnen. Und oft entstehen Gespräche über das, was die Menschen bewegt. Dabei fällt mir auf, dass wir Menschen oft aus ­unserer Perspektive das Leben sehen – und ins Hadern geraten, wenn unser Glücks­becher nicht zu 100 Prozent gefüllt ist. Wir wünschen uns, dass es noch besser wird und schneller geht. Wir sehen die Fehler und Schwächen unseres Partners oder unserer Partnerin wie die kleinen Tintenkleckse auf dem sonst einwandfreien weissen Papier. Der Volksmund hat dafür ein Sprichwort geschaffen, das wir alle kennen und das uns aufrütteln soll, uns auch mit der zweitbesten Lösung und dem zu 80 Prozent gefüllten Glücksbecher zufriedenzugeben: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Was nützt es uns, das Unerreichbare zu bejammern, anstatt das Gute zu sehen, das bereits da ist? Und abgesehen davon ist das Glück bei niemandem 100-prozentig vorhanden. Jesus sagt es deutlich: «Jage nicht den Schätzen der Welt nach, sondern dem Schatz im Himmel.» Will heissen: Lass die Zufriedenheit wieder ins Herz, auch wenn nicht alles super und genial ist. Vergiss nicht, dass dieses Leben schliesslich nicht alles ist und es noch etwas gibt, das hinter dem Glücks­becher der Welt auf uns wartet.Ich wünsche Ihnen farbige Herbsttage mit viel Gelassenheit und Zufriedenheit im Herzen.

Stefan Staub, Pfarreileiter